Wild Camping – hört sich doch ziemlich abenteuerlich an, oder nicht? In Schottland heißt das schlichtweg, dass man meist überall ohne vorherige Genehmigung in der Wildnis campen kann. Wie das „wild“ schon suggeriert, kann so ein Trip zu einem absoluten Abenteuer werden. Das Land der Kilts und Whisky-Brennereien verfügt über genügend Landschaften, die regelrecht dazu einladen, einen Wochenendtrip auf eine Insel zu unternehmen. Bei mir ging es kürzlich auf die Isle of Mull, westlich gelegen von Schottlands rauer Küstenregion.
Let’s go wild camping!
Es war November, was zugegebenermaßen nicht die favorisierte Camper-Zeit ist, aber ich sage immer, es kommt auf die richtige Ausrüstung an. So ging es also mit dem Zug von Glasgow nach Oban, ein Fischerstädtchen an der atlantischen Küste Schottlands. Alleine die drei stündige Reise dorthin war schon eine Augenweide. Je nördlicher wir die Westküste entlang fuhren, desto gigantischer wurden die Hügellandschaften, aus denen vereinzelt Wasserfälle strömten. Ein unglaubliches Farbspiel der Natur wird geboten. Das sind also die Highlands von denen immer alle sprechen.
Angekommen in Oban ging es dann mit der Fähre weiter. Setzt man seinen Fuß erst einmal auf die imposante Fähre, erscheinen einem die vier Pound pro Strecke ziemlich erschwinglich. Daraufhin folgte eine etwa 40-minütige Fahrt bis zur Isle of Mull.
Schottlands verlassene Inseln
Wie ist es also auf einer Insel? Wie für Schottlands Inseln üblich, ist das Fleckchen Erde kaum besiedelt, hier und da ist ein Supermarkt oder Tante-Emma-Laden zu finden. In dem Hauptort der Insel gab es noch ein kleines Café, dann wird die Spannweite der Möglichkeiten schon enger. Perfekte Voraussetzungen also, um sich voll und ganz der Natur zu widmen. Mit einer Landkarte ist man meist gut bedient. Auf das Handy, mangels Netzwerkprobleme, ist da nämlich kein Verlass. Wir haben uns grob einen Punkt festgemacht, an dem wir unser Zelt aufschlagen wollten. Als wir feststellen, dass an dem heutigen Tag kein Bus mehr in unsere gewünschte Richtung fährt und uns der Busfahrer vorschlug, einfach den Daumen zu zücken und zu Trampen, ließen wir uns natürlich auch noch für das breitschlagen.
Aber denkt nicht, dass viele Autos die Straßen passierten. Es waren meist Kommunenfahrzeuge. Nach einer Weile gaben wir auf und setzten uns für weitere Planungen in das gemütliche Café. Dort dauerte es nicht lange, bis uns ein netter Mann fragte, ob er uns mitnehmen solle. Wow, lasst es euch gesagt sein, diese Freundlichkeit begegnet einem auch nicht überall auf der Welt. Dankend nahmen wir das Angebot des Herren natürlich an. Am Ende saßen wir mit drei Männern und zwei Kindern in einem Familienauto und fuhren los. Nicht nur, dass es schon absolut hilfreich war, eine Mitfahrgelegenheit zu ergattern, unser Fahrer war zudem auch noch inselkundig. Er brachte uns direkt an einen Campingplatz direkt am Meeresufer.
Eine Nacht in der Wildnis
Ohne seine Hilfe wären wir wohl dort nie angekommen. Wir konnten unseren Augen gar nicht trauen. Wir waren tatsächlich „in the middle of nowhere“ angekommen. Dort gab es nur Hügel, Schafe, teilweise leerstehende Häuser, Meeresrauschen und Sandstrand. Inzwischen hatte sich auch der Himmel in ein zartes rosa-gelb verfärbt. Das Bild war malerisch. Wir schlugen unser Zelt auf und wanderten noch umher. Herrlich diese Ruhe! Kurz darauf wurde es dunkel und wir begaben uns in unsere Schlafsäcke. Das Zelt war ziemlich direkt am Meeresufer. Nachts wurden wir bei lautstarkem Meeresrauschen und tobenden Wind aus dem Schlaf gerissen. Unsere Zeltwände flatterten halb davon. Zugegeben, diese Nacht war etwas unruhig und wir waren besorgt, dass das Zelt nicht halten würde. Ich meine, was sollten wir tun, inmitten der Nacht, „in the middle of nowhere“, ohne Handyempfang und Auto? Das einzige, das uns blieb, war die Hoffnung, dass das Zelt die Nacht durchstünde.
Als ich erneut aufwachte, merkte ich, dass sich der Wind gelegt hatte. Auch der Ozean zog sich wieder zurück. Die Farbe der Zeltwände konnte ich nun wieder erkennen – es war Tag geworden! „Wir haben die Nacht überlebt!“, gab ich freudig von mir. Als ich dann das Zelt aufmachte und sich mir der wundervolle Meeresausblick offenbarte, war die Schreckensnacht sofort wieder vergessen. Zähne putzen am Meeresufer morgens ist so unbezahlbar! Das Abenteuer hat sich gelohnt! So packten wir unser Lager wieder zusammen und machten uns weiter auf den Weg. Wohin? Irgendwo zum nächsten Ort und von dort aus mit dem Bus zum westlichen Teil der Insel, so der Plan.
Auf zur nächsten Insel!
Auch dieses Mal dauerte es nicht lange bis ein Pick-Up mit einem Ehepaar neben uns anhielt und uns anbot bis zur nächsten Ortschaft mitzunehmen. Fast zeitgleich kam der Bus, den wir ohne das hilfsbereite Paar nie erwischt hätten. Eine reichliche Portion glücklicher Zufälle war bei diesem Trip auf jeden Fall auf unserer Seite, wir konnten uns jedenfalls nicht beschweren. So kamen wir also in Fionnphort an. Wir planten die Nacht in einem Hostel zu verbringen, da die Natur doch etwas zu rau war und zu wenig windgeschützten Flächen für unser Zelt bot. Nun ja, wie bereits erwähnt, gab es auf der Insel nicht viel und so auch nicht in Fionnphort. Da wir es ja auf dieser Reise mit einer Reihe glücklicher Zufälle zu tun hatten, sahen wir, wie am Hafen eine Fähre andockte. Nachdem wir uns kurz über das angesteuerte Ziel der Fähre informierten, war für uns rasch klar, dass wir mit der Fähre auf die nächste Miniinsel Namens Iona tuckern würden.
Das spirituelle Iona
Iona ist eine winzig kleine Insel, die bereits seit Jahrhunderten das geistliche Zentrum Schottlands bildet. Zu diesem Zeitpunkt war uns natürlich noch nicht bewusst, auf welche spirituelle Reise wir uns begeben. Wir wussten nur, dass es da ein Hostel geben muss. Auf Iona war aufgrund der bereits eingekehrten Wintersaison tote Hose angesagt. Das „Iona Hostel“ war tatsächlich die einzige Unterkunft, die uns arme Backpacker an den immer schneller dunkler werden Tagen aufnahm.
Und wie schön es war! Nach einem etwa 20-minütigen Fußmarsch betraten wir die Empore des gemütlichen Hostels. Der Aufenthaltsraum war Wohnzimmer und Küche zugleich. So heimisch! Mit Sofas, Gitarre, Bücherregalen und einem herrlichen Ausblick auf das Meer und die satten grünen Hügel. Wir trafen auf einen Australier, der erzählte, dass er in dem Hostel mal gearbeitet habe und an den Ort zurückkehrte, um ein paar Wochen Auszeit von dem Stadtleben zu nehmen – so wie eigentlich alle Gäste, die wir dort antrafen. Diese spirituelle Energie war völlig zu spüren. Wir unternahmen an dem Abend noch eine Wanderung an die Meeresbucht bei Sonnenuntergang. Es war traumhaft. Weißer Strand und klares Meereswasser umgeben von grünen Hügeln. Schottland raubt einem den Atem!
Nach diesem Tag fielen wir erschöpft, aber glücklich in die weichen Matratzen. Dieses Mal aber ohne tobenden Wind und flatternde Zeltwände. Am nächsten Morgen traten wir den Heimweg an. Eine ältere Frau bat uns noch einen Brief für sie auf dem Festland einzuwerfen. Wir waren wirklich abgeschottet von der Außenwelt. Aber dennoch, es war so eine angenehme Ruhe und Friedlichkeit auf dieser Insel, es hatte nahezu etwas Magisches an sich. So fuhren wir an diesem Tag mit Fähre, Bus und Zug wieder zurück auf das Festland und waren immer noch ganz benommen von der atemberaubenden und friedlichen Natur Schottlands mit ihren hilfsbereiten und freundlichen Menschen.
Hannah Meier
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