Unweit von Inverness ist vor Jahrmillionen der Great Glen, eine tektonische Verwerfung, entstanden. In jenem tiefen Trichtertal funkelt Loch Ness, der wasserreichste See Schottlands, in der Sonne und meint doch so viel mehr als nur ein wunderhübsches Gewässer – angeblich soll ein Seeungeheuer hier sein Unwesen treiben!
„Nessi“ – das Monster mit der weltweit längsten Lebensdauer
Weder der Yeti noch Bigfoot sind so alt wie „Nessi“. Bereits im 6. Jahrhundert wurde das seeschlangenähnliche Geschöpf erstmals gesichtet. Und zwar von niemand geringerem als von Sankt Columban. Der Heilige rettete damals einem Einheimischen das Leben.
Laut Chronist hatte Columban dem „wilden Tier“ sein Kreuz entgegengehalten und ihm befohlen sich zurückzuziehen. Sofort soll das in der alten Niederschrift nicht näher umrissene Wesen von seinem Opfer abgelassen und sich getrollt haben. Ob nur ein Funken Wahrheit in dieser Erzählung steckt, ist zu bezweifeln. Fakt ist, dass seit nunmehr 1300 Jahren immer wieder von Sichtungen berichtet wird und die Region um Loch Ness damit viele Reisende anlockt. Doch die Geschichte als bloßen Marketing-Gag eines gewitzten Tourismusmanager abzutun, wäre falsch. Schließlich gab es schon Berichte über „Nessi“ als noch gar nicht bekannt war, wie das Wort „Fremdenverkehr“ buchstabiert wird.
Was schwimmt denn da?
Wer am Ufer von Loch Ness steht und hinaus auf den fabelhaft schönen und so idyllisch gelegenen See blickt, kann Zeuge einer ungewöhnlichen Erscheinung werden. Und damit ist nicht „Nessi“ gemeint. Das Trichtertal Great Glen mit seinen steilen Hängen oberhalb des Sees präsentiert sich schnurgerade und symmetrisch. Noch immer zeigt die uralte Verwerfung seismische Aktivität. Wiederholt kommt es deshalb zu kleinen Erdbeben. Manchmal wird sogar Stärke 4 der Richterskala erreicht.
Aufgrund der Symmetrie und der ständigen Erdplattenreibungen entstehen sogenannte Seiches. Diese stehenden Wellen sehen aus der Distanz aus, als würde jeden Moment ein schlangenähnliches Wesen aus dem Wasser auftauchen. Eine Seiche kann mehrere Minuten anhalten und bewegt sich in vertikaler Richtung. Diesen seltenen, aber durchaus nicht nur hier auftretenden Wogen wird ein Großteil des „Nessi-Kults“ zugeschrieben. Dass sich im Mittelalter die Legende vom Seeungeheuer ausgedacht wurde ist verständlich – Seiches beflügeln die menschliche Fantasie!
Zu schön, um von einem Monster bewohnt zu sein
Eigentlich hätte Loch Ness „Nessi“ gar nicht nötig. Der glasklare See ist atemberaubend anmutig und würde es auch ohne die Schützenhilfe des Ungeheuers schaffen, tausende Touristen in seinen Bann zu ziehen. An seinen Ufern stehen die Ruinen des im 6. Jahrhundert erbauten Urquhart Castle und die von knorrigen Bäumen bewachsene Insel Cherry meint ein weiteres, begehrtes Fotomotiv. Auch hier soll sich das Ungeheuer unzählige Male gezeigt haben.
Fotografen, Hobby-Biologen und sogar namhafte Wissenschaftler haben sich des Falls angenommen und sind bis dato zu keinem eindeutigen Ergebnis gekommen. Immerhin gehen im Loch Ness nachweislich gerne Hirsche baden, es treiben mächtige Baumstämme im Wasser und bis zu 3,5 Meter lange Störe werden alljährlich aus den Fluten gezogen. Ob das Geheimnis von „Nessi“ jemals gelüftet wird, bleibt ungewiss. Wahrheit oder Fiktion – das alles spielt keine Rolle. Die Anreise ins schottische Hochland ist aufgrund der bombastischen Panoramen niemals vergeblich!
„Nessi“ lebt – zumindest in den Köpfen der Menschen
Immer wieder tauchen Fotos und Videos auf, die den langen, schlanken Hals und die mächtigen Flossen des Seeungeheuers zeigen. Obwohl die BBC via Sonarstrahlen den kompletten See abgesucht und nichts gefunden hat, darf das spannende und weltberühmte Märchen weiterhin geglaubt werden!
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